Beschluss: Keine Kosten für einstw. Verfg. bei Ignorieren der Abmahnung… (LG Hamburg)

Landgericht Hamburg 8. Zivilkammer
Beschluss vom 05.01.2012 Az.: 308 O 202/11

I. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin nach einem Streitwert von € 25.000,- zu tragen.

II. …….
Gründe zu I.
Der Beschluss beruht auf § 91a. Es entspricht billigem Ermessen, der Antragstellerin die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens aufzuerlegen, denn die einstweilige Verfügung vom 22.07.2011 wäre aufzuheben gewesen.
Es ist zumindest prozessual davon auszugehen, dass der Antragsgegner die angegriffene Urheberrechtsverletzung nicht selbst täterschaftlich begangen hat. Zwar ist er unstreitig Inhaber des Internetanschlusses, über den die Verletzungen begangen wurden. Daraus folgte eine tatsächliche Vermutung, dass er für diese Verletzungen als Täter verantwortlich war (zu einem insoweit vergleichbaren Fall: BGH, U. v. 12.05.2010, Az.: I ZR 121/08, Juris, Rn. 12, -„Sommer unseres Lebens“). Dieser Vermutung ist der Antragsgegner indes mit hinreichend substantiiertem Vortrag entgegengetreten. Aus der Vermutung der Täterschaft folgt eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers (BGH, a.a.O.). Um die Vermutung der eigenen Täterschaft zu erschüttern, muss der Anschlussinhaber substantiiert Umstände vortragen und ggf. glaubhaft machen, aus denen die ernsthafte Möglichkeit folgt, dass ein Dritter unter unbefugter Nutzung seines Anschlusses die Verletzung begangen hat (vgl. dazu: OLG Köln, B. v. 24.03.2011, Az.: 6 W 42/11, Juris, Absatz-Nr. 9). Dieser Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast ist der Antragsgegner gerecht geworden. Er hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 19.09.2011 (Anlage AG 1) nicht nur explizit erklärt, die angegriffenen Verletzungen nicht selbst begangen zu haben, sondern ferner darauf hingewiesen, zu den Tatzeitpunkten ein (gänzlich) unverschlüsseltes WLAN-Netz betrieben zu haben. Hieraus folgt die – sogar recht naheliegende – Möglichkeit, dass die Verletzung von einem Dritten durch einen unbefugten Zugriff auf das WLAN-Netz des Antragstellers von außen vorgenommen wurden. Unerheblich ist dafür, wie dicht die Wohngegend des Antragsgegners besiedelt ist, denn ein Zugriff kann z.B. auch unter Nutzung eines Mobilcomputers aus einem PKW heraus erfolgen.
Danach traf die volle Glaubhaftmachungslast für die Täterschaft des Antragsgegners die Antragstellerin. Die Antragstellerin hat insoweit keine geeigneten Glaubhaftmachungsmittel vorgelegt.
Zwar hat der Antragsgegner wegen der unzureichenden Sicherung seines WLAN-Netzes für die angegriffene Verletzung als Störer einzustehen. Die einstweilige Verfügung vom 22.07.2011 wäre aber gleichwohl gänzlich aufzuheben gewesen, denn sie erstreckte sich ausschließlich auf eine täterschaftliche Haftung des Antragsgegners. Die Störerhaftung ist in der Täterhaftung auch nicht als „Minus“ enthalten, vielmehr stehen diese beiden Haftungsarten in einem Aliud-Verhältnis zueinander (BGH, a.a.O., Absatz-Nr. 35 ff).
Offen bleiben kann vorliegend, ob dem Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs gegen den Störer ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehen kann, wenn dieser es nach der Abmahnung pflichtwidrig unterlässt, bereits vorprozessual seiner oben beschriebenen sekundären Darlegungslast nachzukommen (vgl. dazu: OLG Köln, B. v. 09.09.2010, 6 W 115/10, Juris, Absatz-Nr. 14 f.). Denn eine derartige aus Treu und Glauben folgende Erklärungspflicht des Störers kommt jedenfalls dann, wenn eine Privatperson in Anspruch genommen wird, allenfalls in Betracht, wenn in der Abmahnung in einer auch für juristische Laien verständlichen Weise auf den Bestand und Umfang dieser Pflicht hingewiesen wurde (in diesem Sinne wohl auch : OLG Köln, a.a.O., Absatz-Nr. 15 – „…berechtigte Abmahnung, die auch eine Haftung als Störer zum Gegenstand hatte, …“). Dies war vorliegend nicht der Fall. In der Abmahnung vom 05.07.2011 (Anlage Ast. 5) hieß es zwar auf Seite 6: „In diesem Zusammenhang weisen wir Sie auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2010 (Az.: I ZR 121/08) hin, gemäß der der einmal ermittelte Anschlussinhaber als Täter zu betrachten ist, wenn er keine Umstände darlegen und ggf. beweisen kann, die seine Verantwortlichkeit ausschließen.“ Dieser knappe Hinweis dürfte indes jedenfalls vom juristischen Laien kaum als Aufforderung zu verstehen sein, ggf. bereits vorprozessual Erklärungen zu den Umständen der angegriffenen Verletzungshandlung abzugeben, um eine spätere Entschädigungspflicht abzuwenden. Darauf kommt es allerdings bereits nicht an, denn der zitierte Hinweis ist inhaltlich unzutreffend. Um die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers zu erschüttern, reicht es – wie oben ausgeführt – bereits aus, wenn dieser substantiiert Umstände vorträgt und ggf. beweist bzw. glaubhaft macht, aus denen lediglich die ernsthafte Möglichkeit folgt, dass ein Dritter unter unbefugter Nutzung seines Anschlusses die Verletzung begangen hat (vgl. dazu: OLG Köln, B. v. 24.03.2011, Az.: 6 W 42/11, Juris, Absatz-Nr. 9). Die volle Beweis- bzw. Glaubhaftmachungslast für die Täterschaft des Anschlussinhabers liegt dann wieder beim Anspruchsteller.

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